Ungleiche Voraussetzungen bei der Wahl
Die Präsidentschaftswahlen in der Türkei fanden unter ungleichen Voraussetzungen statt. Die Regierungspartei AKP und ihr Kandidat, Amtsinhaber Recep Tayyip Erdogan, kontrollieren die meisten Medien im Land und ihre Deutung der Dinge kommt deutlich häufiger vor. Auch bei der Verteilung der Wahlmittel gab es große Ungleichheiten zwischen Regierung und Opposition.
Forderung nach Chancengleichheit
Vor der ersten Stichwahl um das Präsidentenamt in der Geschichte der Türkei hat der Koordinator der Wahlbeobachtermissionen von OSZE und Europarat, Michael Link (FDP), größere Chancengleichheit angemahnt. Es dürfe nicht der Fehler wiederholt werden, dass die Regierungsseite eindeutig in den Medien bevorzugt werde, sagte er dem „Tagesspiegel“.
Stichwahl am 28. Mai
Bei der Präsidentschaftswahl am Sonntag hatte Erdogan laut vorläufigen Endergebnissen zwar die meisten Stimmen erhalten und damit gewonnen, jedoch verpasste er die erforderliche absolute Mehrheit von mehr als 50 Prozent knapp. Herausforderer Kemal Kilicdaroglu fehlten dafür mindestens fünf Prozentpunkte. Umfragen hatten ein knappes Rennen vorausgesagt. Bei der Stichwahl am 28. Mai treten Erdogan und Kilicdaroglu gegeneinander an.
Entscheidung der Wähler
Die 61 Millionen Wähler im Inland sind in knapp zwei Wochen erneut dazu aufgerufen, ihren Stempel unter einem der beiden Kandidaten zu machen. Auch die 3,4 Millionen Wahlberechtigten im Ausland müssen erneut an die Urne treten. Offizielle Prognosen, wer die besseren Chancen hat, gibt es noch keine. Entscheidend wird unter anderem sein, wie sich die Wähler vom drittplatzierten Sinan Ogan von der ultranationalistischen Ata-AllianzOgan entscheiden, der nicht in die Stichwahl zieht. Auch kommt es darauf an, wie viele Wähler Kilicdaroglu erneut mobilisieren kann nach der Enttäuschung über eine erste Quasi-Niederlage, die für viele seiner Anhänger unerwartet kam.
Überragende Präsenz von Erdogan in den Medien
Zur ersten Wahlrunde sagte Link, es habe Unregelmäßigkeiten gegeben, aber weniger am Wahltag selbst, sondern während des Wahlkampfes zuvor. „Diese Wahl wurde charakterisiert von einer ganz überragenden Präsenz von Präsident Recep Tayyip Erdogan in den Medien, und zwar durchweg positiv. Oppositionskandidat Kemal Kilicdaroglu hatte hingegen große Probleme, in den Medien vorzukommen. Gelang ihm das, war es meist negativ“, sagte Link. Sein Team habe bislang keine Fehler bei der Auszählung „im Sinne von Manipulation oder Fälschung“ festgestellt, sagte Link. Die „sehr intransparente Art und Weise“ der Wahl bleibt jedoch ein Thema.
Es ist das erste Mal in der Geschichte der Türkei, dass es zur Stichwahl um das Präsidentenamt kommt.