Gewalt bei Polizeieinsätzen: Forscher untersuchen Vorwürfe und Grenzen

Nicht immer werden Polizisten als Freunde und Helfer empfunden. Eskalation bei Einsätzen und Vorwürfe überzogener Gewalt lösen immer wieder Kontroversen aus. Wenn Polizisten Gewalt ausüben, kann das als letztes Mittel mit einem Einsatz zusammenhängen. Doch es gibt auch immer wieder Vorwürfe nach Vorfällen, bei denen der Einsatz von Gewalt überzogen oder gar unprovoziert erscheint.

Polizeiforscher untersucht Vorwürfe von Polizeigewalt

Im August vergangenen Jahres etwa löste der Fall eines 16-Jährigen eine große öffentliche Debatte aus, nachdem der Jugendliche in Dortmund von Polizeibeamten mit einer Maschinenpistole bei einem Einsatz erschossen worden war. Hat die Polizei ein Gewaltproblem? Und wie ist Gewalt überhaupt zu definieren? Einigen dieser Fragen ist der Polizeiforscher Tobias Singelnstein in seinem neuen Buch nachgegangen.

Gewalt „nur ausnahmsweise einsetzen“

Der Jurist, der an der Frankfurter Goethe Universität lehrt und forscht, sprach dazu mit Betroffenen von Polizeigewalt ebenso wie mit Polizisten, Führungskräften der Polizei und internen Ermittlern, die sich mit der Aufklärung von Gewaltvorwürfen in den eigenen Reihen befassen. „Die Gewalt fängt nicht erst beim Schießen an, sondern eigentlich schon bei einfachen Überwältigungshandlungen“, sagte Singelnstein der Deutschen Presse-Agentur. Man müsse sich klar machen: „Für Leute, die von diesem Gewalteinsatz betroffen sind, ist es immer eine relativ drastische Erfahrung – auch wenn jemand nur mit einfacher körperlicher Gewalt zu Boden gebracht wird und auch wenn das rechtmäßig erfolgt.“ Zwar hat die Polizei aufgrund ihrer Aufgaben ein Gewaltmonopol – doch auch die Beamten dürften Gewalt „nur ausnahmsweise einsetzen“ sagte Singelnstein.

Normalisierung der Gewalt innerhalb der Polizei?

„Auf der anderen Seite sehen wir, dass es innerhalb der Polizei eine gewisse Normalisierung der Gewalt gibt, weil es für die Beamten zu ihrem beruflichen Alltag gehört.“ So hätten sich aus dem gesammelten Material Hinweise darauf ergeben, dass Abschiebungen sowie Kontrollsituationen in sogenannten Gefahrengebieten ein erhöhtes Konfliktpotenzial und Risiko polizeilicher Gewaltanwendungen bergen, heißt es in dem Buch. Zugleich wird betont: Die Grenzen zwischen angemessener und übermäßiger polizeilicher Gewalt seien fließend und nicht immer leicht zu ziehen, auch wenn es mitunter klar zu beurteilende Fälle gebe.

Situationen sind komplex und dynamisch

Situationen, in denen ein Gewalteinsatz stattfinde, seien komplexe und häufig sehr dynamische Geschehensabläufe, fanden Singelnstein und sein Team bei ihren Untersuchungen heraus. Man kenne das aus „normalen“ Konfrontationen, in denen ein Wort das andere ergebe, oder eine Handlung Reaktionen erzeuge. Erhöhte Sensibilität für das Thema Für Bürgerinnen und Bürger sei dabei relativ schnell die Schwelle zur Strafbarkeit überschritten – auch passive Haltungen könnten bei Demonstrationen und Räumungen wie Anfang des Jahres im Fechenheimer Wald bei Frankfurt als Widerstandshandlungen gewertet werden und zu Anzeigen führen.

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