Bibliothek schaltet nachts das Wlan ab – um Obdachlose zu vertreiben

San Francisco kämpft mit einer immer weiter zunehmenden Obdachlosigkeits-Krise. Eine Bibliothek geht nun auf ganz eigene Art gegen die auf der Straße lebenden Menschen vor – und knippst ihnen das Wlan ab.

Obdachlosigkeit in San Francisco

Zelte am Highway, ganze Burgen aus Wohnmobilen und Menschen, die tagsüber quer über den Gehweg schlafen: Wer durch San Francisco oder das nahe gelegene San Jose streift, wird auf Schritt und Tritt mit dem Elend der grasierenden Obdachlosigkeit in der Bay Area konfrontiert. Ein Bezirk versucht nun, die Problematik mit einer skurrilen Maßnahme in den Griff zu bekommen.

Druck auf Bibliothek

Das zeigen E-Mails, die eine Aktivistin vor einigen Wochen bei Twitter veröffentlichte. Demnach hatte der Stadtrats-Abgeordnete Rafael Mandelman gemeinsam mit Anwohnern Druck auf die Bibliothek von Eureka Valley ausgeübt, um sie zum Abschalten des kostenlosen Wlans über Nacht zu bewegen. „Das macht das Schlafen um die Bibliothek vermutlich weniger attraktiv“, heißt es in einer Mail einer Anwohnerin. Die Bibliothek soll dem Druck nach einem Treffen schließlich nachgegeben haben.

Kritik an der Maßnahme

Die Maßnahme ist nicht die einzige, um die Problematik rund um die Bibliothek in den Griff zu bekommen. Allerdings steht sie am stärksten in der Kritik. Die Begrünung des Gehwegs, das Aufstellen von Fahrradständern und das Auffrischen eines Gemäldes an der gegenüberliegenden Fassade dienten ebenfalls dazu, das Aufstellen von Zelten in der Umgebung der Bibliothek zu erschweren.

Kostenloser Zugang zum Internet als wichtige Möglichkeit

Mit dem Abschalten des Wlans würde den von Obdachlosigkeit Betroffenen aber eine wichtige Möglichkeit genommen, ihre Situation zu verbessern. So sei der kostenlose Zugang zum Internet essenziell, um Kontakte zu halten, sich für Jobs zu bewerben oder staatliche Hilfe zu beantragen, erklärte eine E-Mail an die Bibliotheken-Verwaltung der Stadt. Deswegen solle die Stadt die Nachtsperre bitte wieder aufheben, so die Verfasserin.

Traditionelles Selbstverständnis von Bibliotheken

Tatsächlich entspricht das auch dem Selbstverständnis des amerikanischen Bibliothekenwesens. Der öffentliche und kostenlose Zugang zu Bildung und Informationen wird von den Bibliotheken traditionell als wichtiges Mittel verstanden, die gesellschaftliche Benachteiligung armer Gesellschaftsgruppen ausgleichen zu können, betont auch der amerikanische Bibliothekenverband. Die Bibliothek in Eureka Valley sei die einzige der Stadt, die nachts das Wlan abschalte, bestätigte die Sprecherin des lokalen Verbandes gegenüber „The Verge“.

8000 obdachlose Menschen in San Francisco

Die Stadt hatte vor einigen Jahren als erste einen eigenen Sozialarbeiter eingestellt, um auf die besonderen Bedürfnisse der obdachlosen Bibliothekennutzer:innen eingehen zu können. Aktuell sind nach Schätzungen etwa 8000 Menschen in der Stadt von Obdachlosigkeit betroffen, das entspricht knapp einem Prozent der Bevölkerung. Die Lage ist besorgniserregend.

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