Staatsmedien sehen Erdogan vorn – Opposition spricht von Manipulation

Bei der Präsidentschafts- und Parlamentswahl in der Türkei ist ein Streit um Teilergebnisse entbrannt. Mehrere Stunden nach Schließung der Wahllokale sahen staatliche Medien den amtierenden Präsidenten Recep Tayyip Erdogan vorne, während die Opposition mit ihrem Spitzenkandidaten Kemal Kilicdaroglu die Führung für sich reklamierte.

Ergebnisse und Reaktionen

Vorläufigen Zahlen der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu zufolge schrumpfte Erdogans Vorsprung im Laufe des Abends aber. Anadolu meldete einen Stimmenanteil von rund 51 Prozent für Erdogan, vor Kilicdaroglu mit 43 Prozent. Allerdings bezogen sich die Zahlen nur auf etwas über 60 Prozent ausgezählte Stimmen, die zudem überwiegend aus Hochburgen der islamisch-konservativen Regierung stammten. Anfangs hatte Erdogan der Agentur zufolge nach 25,7 Prozent der ausgezählten Stimmen noch bei 54,3 Prozent gelegen.

Ekrem Imamoglu, Bürgermeister von Istanbul und Parteifreund Kilicdaroglus, rief in der Parteizentrale der CHP dazu auf, die Zahlen von Anadolu zu ignorieren. „Wir glauben Anadolu nicht“, sagte er. Die Nachrichtenagentur habe „jegliche Seriosität verloren“. Die Zahlen von CHP-Wahlbeobachtern zeichneten „ein positives Bild“, betonte ein Parteisprecher. Die CHP werde ihre Zahlen veröffentlichen, sobald eine „bedeutende Anzahl“ der Wahlurnen geöffnet worden sei.

Zahlen des oppositionsnahen Nachrichtenportals Anka zufolge lagen Erdogan und Kilicdaroglu nach Teilauszählungen fast gleichauf – und beide unterhalb von 50 Prozent. Kandidaten anderer Parteien kamen Anka wie Anadolu zufolge auf insgesamt etwa fünf Prozent der Stimmen.

Die meisten Umfragen hatten einen knappen Vorsprung Kilicdaroglus bei der Präsidentenwahl vorhergesagt, manchen von ihnen zufolge konnte er sich sogar Hoffnung auf einen Sieg in der ersten Runde machen.

Wahlmanipulationen

Einer Kurdenorganisation zufolge soll es „viele Wahlmanipulationen in kleinerem Umfang“ gegeben haben. So sei etwa vielerorts gemeldet worden, dass Wahlzettel bereits gestempelt gewesen seien, als sie verteilt wurden. Auch ungültige Zettel wurden demnach verteilt. Zudem wurden laut Civaka Azad mehrere Tausend Menschen am Wählen gehindert, indem sie ohne ihr Wissen als Wahlhelfer benannt wurden oder weil ihnen kein Stimmzettel ausgehändigt wurden, da ihre Namen angeblich nicht auf den Listen standen. Auch zahlreiche Verstöße gegen das in der Türkei geltende Wahlgesetz seien beobachtet worden.

Neuer Präsident wird, wer im ersten Wahlgang mehr als 50 Prozent der Stimmen bekommt. Schafft dies keiner der Kandidaten, treten die zwei Erstplatzierten in zwei Wochen in einer Stichwahl gegeneinander an.

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