Archäologen entdecken historischen Armenfriedhof

Archäologen legen großen Gräberkomplex frei

Dank der Erneuerung des Regenwasserkanals durch die Lübecker Entsorgungsbetriebe wurde ein historischer Armenfriedhof entdeckt. Archäologen haben begonnen, den großen Gräberkomplex freizulegen. Schätzungsweise sind hier bis zu 50.000 Menschen bestattet worden, berichtet Ingrid Suthoff von der Stadt Lübeck. Die Skelette liegen kreuz und quer in der Grube. Archäologin Katharina Ostrowski zeigt auf ein Skelett, das zwischen den Knochen zweier Erwachsener liegt. Es handelt sich um ein Baby, erklärt sie. Ob es zu den Erwachsenen gehört hat, ist leider nicht bekannt. Alle Bestatteten haben zu Lebzeiten im Armen- und Werkhaus St. Annen gelebt, einer Sozialeinrichtung für mittellose Menschen.

Ein Gemeinschaftsgrab für verschiedene Bevölkerungsgruppen

Seit Mitte Februar arbeiten die Archäologen daran, den historischen Armenfriedhof Schicht für Schicht freizulegen. Von 1639 bis 1868 wurden hier Menschen bestattet, die sich kein Grab auf einem „normalen“ Friedhof leisten konnten. Es handelt sich nicht um ein Massengrab im herkömmlichen Sinn, sondern eher um ein Gemeinschaftsgrab, erklärt Ostrowski. Die Verstorbenen wurden in großen Gruben, aber in individuellen Särgen bestattet. Neben Bewohnern des Armenhauses fanden auch Beamte, Ärzte und Lehrer der Einrichtung hier ihre letzte Ruhestätte. Die aufwendigeren Särge lassen darauf schließen, dass es sich um Angehörige dieser Berufsgruppen handelt.

Untersuchungen der Skelette sollen Aufschluss über Todesursachen geben

Bisher wurden etwa 200 Skelette von dem dreiköpfigen Archäologenteam freigelegt. Darunter waren auch 20 Skelette von Kleinkindern und Babys. Proben aus dem Brust- und Beckenbereich der gefundenen Skelette werden im Institut für klinische Mikrobiologie der Christian-Albrechts-Universität Kiel untersucht. Möglicherweise können so Informationen über die Todesursachen der Menschen gewonnen werden, hofft Ostrowski.

Das Ausmaß des Friedhofs überrascht die Archäologen

Der Fund des Gräberkomplexes hat die Lübecker Archäologen nicht überrascht, da sie bereits von der Existenz des Armenfriedhofs wussten. Allerdings hat das Ausmaß der Funde sie dennoch überrascht. An einigen Stellen waren bis zu sieben Särge übereinander gestapelt. Möglicherweise wurde der Platz knapp aus bisher unbekannten Gründen, spekuliert Sudhoff. Die Hansestadt Lübeck schätzt, dass in den zwei Jahrhunderten des Bestehens des Friedhofs mehr als 50.000 Menschen hier beerdigt wurden. Diese Schätzung basiert auf Begräbnisunterlagen und anderen historischen Dokumenten. Der Friedhof erstreckte sich über eine Länge von etwa 120 Metern und hatte eine Gesamtfläche von rund 8000 Quadratmetern.

Die gefundenen Knochen werden an ihrem Fundort fotografiert und anschließend in die Räume der Archäologen gebracht.

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